Obstsortenkataster Frohnleiten
Autor: Wolfgang Weingerl
Eine pomologisch aufgearbeitete Darstellung des Istzustands der Streuobstbestände einer Region
Ausgangslage
Frohnleiten, im Norden des Bezirks Graz-Umgebung gelegen, ist geprägt von den breiten Tallagen des Murtals und den zahlreichen Seitentälern im Grazer Bergland. Mit einer Seehöhe zwischen 450 m und besiedelten Bereichen bis ca. 800 m Seehöhe ist das Gemeindegebiet nicht mehr als obstbaulich relevante Region wie z.B. die Oststeiermark zu bezeichnen. Dadurch haben sich hier relativ starke Streuobstbestände zur Eigenversorgung der Bevölkerung erhalten, da die Kultivierung von Kernobst und Steinobst klimatisch sehr wohl möglich ist.
Gefördert wurde die Anlage von Streuobstbäumen durch den Frohnleitner Hauptschullehrer Franz Meixner, der als gebürtiger Oststeirer die Bevölkerung zu zahlreichen Pflanzungen in den 1930er Jahren motivierte, aus welcher Zeit teilweise noch Bestände stammen. Detail am Rande: Meixner unterwies sogar Schüler seiner Schule in der Fertigkeit des Veredelns von Obstbäumen.
Ein Teil der bäuerlichen Betriebe wurde aufgelassen, da die Industrie bessere Verdienstchancen bot. Diese aufgelassenen Wirtschaften bestehen meist baulich nicht mehr, die Streuobstbäume teilweise doch noch. Um den Obstbaumbestand der Region zu erheben, pomologisch abzusichern und ggf. das Sortenspektrum zu erhalten, initiierte der Obst- und Gartenbauverein Frohnleiten und Umgebung unter Obmann Wolfgang Weingerl das Projekt Obstsortenkataster und konnte dafür die Stadtgemeinde Frohnleiten und die KLAR/KEM als Partner und Unterstützer gewinnen.
Zielsetzung

Im Zeitraum von fünf Jahren sollen möglichst weite Teile der Streuobstbäume der Region pomologisch bestimmt, mittels GPS eingemessen und damit ein Bewusstsein für bekannte und weniger bekannte Obstsorten geschaffen werden. Die Datenbank ist aus Gründen der DSGVO nicht öffentlich, die Besitzer der Streuobstbäume werden natürlich über ihre Obstsorten informiert. Mediale Aufrufe in Regionalzeitungen und aktives Zugehen auf Streuobstbesitzer bewirken pomologische Erhebungen zwischen 3 und 5 Tagen jährlich.
Parallel dazu erhebt die Familie Mayr-Melnhof, die im Gemeindegebiet große Flächen mit ehemaligen Bauernhöfen besitzt, auf eigene Kosten und eigene Datenaufzeichnung ihre Bestände. Damit zeigt sich die von der Familie Mayr-Melnhof praktizierte Wertschätzung für Streuobst, darüber hinaus auch durch zahlreiche Nachpflanzungen großkroniger Obstbäume.
Um das Projekt auch für andere Regionen praktizierbar darzustellen, folgen die Details des Projekts:
Während des Sommers haben die Besitzer von Streuobstbäumen, die ein Mindestalter von 35 Jahren aufweisen sollen, die Möglichkeit, sich beim Obst- und Gartenbauverein für die Erhebung anzumelden. Da Obmann Weingerl mit den Beständen recht vertraut ist, spricht er zusätzlich deren Besitzer an und erhält durchwegs positive Zustimmung. Die Stadtgemeinde fördert die pomologische Bestimmung durch die Pomologin Katharina Varadi-Dianat nach Stückpreis, die Erhebungen der Bestände werden durch das Büro der KLAR/KEM in Deutschfeistritz unterstützt. Mittels eines GARMIN GPSMap 67, der durch die Anpeilung von bis zu 5 Satelliten auf eine Lokalisiergenauigkeit von ca. 2 m kommt, werden die Obstbäume kartiert. Fachliche Beratung zur Kartierung erhält der Verein durch einen Garmin-Trainer und einen Vermessungstechniker. In den ersten beiden Jahren der Laufzeit des Projekts wurden nach einem frostbedingt schwachen ersten Jahr bereits 188 Obstbäume eingepflegt. Traditionell überwiegen bei den Apfelsorten Rheinischer Bohnapfel, Krummstiel, Kronprinz Rudolf, die in der Region eher weniger kultivierten Birnbäume sind hauptsächlich den Sorten Kärntner Speckbirne und Pastorenbirne zuzuordnen. Aber in der Region seltener vorhandene Sorten wie Horneburger Pfannkuchenapfel, Schwarzer Borsdorfer, Weidenblättrige Birne oder Römische Schmalzbirne konnten erhoben werden.

Diese auch in Bezug auf klimatische und kulinarische Tauglichkeit interessanten Obstsorten werden durch Entnahme von Edelreisern in Veredelungskursen auf starkwüchsigen Unterlagen weitervermehrt und damit die teilweise in die Jahre gekommenen Bestände „aufgefrischt“. Um das Bewusstsein für diese Vielfalt zu stärken, werden Verkostungen organisiert bzw. die verarbeiteten Produkte erlebbar gemacht.
Zusätzlich wurde ein Film über die Streuobstbestände Frohnleitens angefertigt, auf youtube unter frohnleiten#streuobstbestände auffindbar.
Resumée
Nach den ersten zwei Jahren wird der zu erhebende Gesamtbestand auf 600 bis 700 Obstbäume geschätzt, die teilweise aber bereits sehr vergreist sind und zur Produktion von Edelreisern neu angeschnitten werden müssen. Die Akzeptanz des Projekts ist im Steigen begriffen, setzt aber aktive Öffentlichkeitsarbeit voraus. Die Unterstützung durch die öffentliche Hand ist positiv zu werten, vice versa kann die Stadtgemeinde aber auch mit dem Projekt öffentlich punkten. Im Jahr 2024 wurde das Projekt mit dem Biodiversitätspreis „Siberdistel“ ausgezeichnet, was auch eine positive Visitenkarte für die Gemeindeführung bedeutet. Über breit angelegte Produktlinien ist die Marke „Gutes aus dem Grazer Bergland“ geplant, unter der auch verarbeitetes Obst (Saft,Most, Essig, Marmeladen, Dörrobst) aus Frohnleitner Streuobstbeständen zukünftig vermarktet werden kann.

Falls Sie Interesse an einer gleichartigen Durchführung haben, bieten wir Auskünfte zu Details der Aktion an: Wolfgang Weingerl weingerlwolfgang@a1.net
Projekt
Obstsortenkataster Frohnleiten 2023 – 2027
Initiative durch Obst-und Gartenbauverein
Gefördert durch Stadtgemeinde Frohnleiten und KLAR Graz Umgebung
Ziel ist die Erhebung der in der Region vorhandenen Obstsortenvielfalt, deren Erhalt durch Vermehrung von Obstraritäten und dadurch die Inwertsetzung der Streuobstbestände in ihrer Rolle in Nutzbarkeit, Ökologie und Landschaftsbild. Das Projekt wurde heuer mit dem Biodiversitätspreis Silberdistel ausgezeichnet.
Bis jetzt wurden 106 Obstbäume kartiert und durch die Pomologin Katharina Varadi-Dianat bestimmt. Dabei wurden einige erhaltungswürdige Raritäten gefunden.
Durch die Unterstützung der Stadtgemeinde und der KLAR entstehen den Baumbesitzern keine Kosten, auch keine weiteren Verpflichtungen, die erhobenen Daten bleiben anonymisiert. Machen Sie mit!