Holzzersetzende Pilze im Streuobstgarten
Mag. Bernard Wieser
Der Streuobstgarten ist ein wichtiger Teil der traditionellen Kulturlandschaft, welche mehr und mehr zu verschwinden droht. Nicht nur eine unüberschaubare Anzahl an verschiedenen Obstsorten hat sich über die Jahrhunderte angesammelt, es ist auch ein Ort der Biodiversität, bedingt durch das Aufeinandertreffen von extensiven Grünland und einer Waldsteppenähnlichen Baumstruktur mit unterschiedlichen Kleinst-Klimaten im Unterwuchs. Die Streuobstgärten bekleiden seit jeher die Hänge im Steirischen Vulkanland und hatten ihre Hochblüte in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg, als zuerst noch Hungersnot herrschte und später die Preise für Obst noch hoch genug waren, um ein gutes Einkommen in der bäuerlichen Landwirtschaft zu erwirtschaften. Primär ging es jedoch um die Eigenversorgung mit Obst, um gut über den Winter zu kommen. Andere Zuckerquellen gab es hierzulande nicht viele zu dieser Zeit.
Ein Obstbaum ist mit einem Menschenleben zu vergleichen. Im jungen Alter wird er formiert und erhält seine spätere Wuchsform, im Hauptertragsalter von 30 bis 60 Jahren wirft er große Mengen an Obst ab, bevor er an Elastizität abbaut und sein Holz brüchig wird. Während dieser Zeit kann viel passieren, Spätfröste sprengen die Stammrinde, Wind und Wetter zehren an den Ästen, Weidevieh tritt auf die Wurzeln, Mähgeräte mähen den Stamm an, Wild beißt an der Rinde, Wühlmäuse nagen an den Wurzeln, Efeu und Misteln konkurrenzieren und parasitieren die Pflanze. Je nach Standort kann der Baum an Spätfrösten, Über- oder Unterernährung leiden. Das alles wirkt sich auf seine Holzstruktur aus, liefert Wunden, über welche Holzzersetzende Pilze eindringen können. Einige davon möchte ich ihnen aus einer meiner Studien in der Südoststeiermark vorstellen.
Je nach Stadium werden Obstbäume von parasitischen Pilzen attackiert. Ein überall heimischer und in jedem alten Obstgarten vorkommender Pilz ist der Honiggelbe Hallimasch. Unter diesem Namen verbergen sich mehrere Arten. Hallimasche sind die flächenmäßig größten Lebewesen der Erde. Ein Mycel erreicht in Oregon/USA mehrere Quadratkilometer Ausdehnung. Der Hallimasch dringt über Oberflächenverletzungen, meist an der Stammbasis in den Baum ein und schickt seine schwarzen Hyphen unter der Borke des Baumes nach oben. Diese löst sich schlussendlich und der Baum stirbt ab.
Weißfäule entsteht, wenn der Grundstoff Lignin, das Skelett im Holz, vom Pilz abgebaut wird.
Weitere seltene Folgezersetzer aus unseren wirklich besonderen Streuobstgärten darf ich hier noch vorstellen. Folgezersetzer sind keine parasitischen Pilze. Sie schaden dem Baum nicht, leben jedoch von seinem Totholz. In der Südoststeiermark sind derzeit um die 2200 Pilze bekannt. Davon sind mehr als die Hälfte Folgezersetzer in der Streu der Wälder. „Würden wir diese abbauenden Pilze nicht haben, würden wir in einer zwanzig Meter hohen Streuschicht der Bäume untergehen.“ (angelehnt an ein Zitat von Prof. Franz Wolkinger, meinem Studienbetreuer)
Übersicht
Name | Wirtsbaum | Wirkung |
Zottiger Schillerporling (Inonotus hispidus) | Apfel | Parasitisch/Weißfäule |
Krusten-Stachelbart (Sarcodontia crocea) | Apfel | Parasitisch/Weißfäule |
Apfel-/Pflaumen-Feuerschwamm (Phellinus pomaceus, P. tuberculosus) | Zwetschke, Kirsche | Weißfäule |
Honiggelber Hallimasch (mehrere Arten) | Laubholz | Parasitisch |
Apfel-Braunfäule-Tramete (Brunneoporus malicola) | Apfel | Parasitisch/Braunfäule |
Apfelbaum-Saftporling (Aurantioporus fissilis) | Apfel | Parasitisch |
Gezonter Ohrlappenpilz (Auricularia mesenterica) | Laubholz | Weißfäule/Folgezersetzer |
Dorniger Stachelbart (Hericium cirrhatum) | Laubholz | Folgezersetzer |
Kirschbaum-Kraterpilz (Craterocolla cerasi) | Kirsche | Folgezersetzer |
Samtfuß-Rübling (Flammulina velutipes) | Laubholz | Folgezersetzer |
Baumhöhlen-Fasertintling (Coprinopsis spelaiophila) | Laubholz | Folgezersetzer |
Reibeisenpilz (Basidioradulum radula) | Kirsche | Folgezersetzer |