Haidegger Sortenerhaltungsgarten in Wagersbach
95 Sortenportraits bekannter und unbekannter Apfelsorten mit historischen Literaturzitaten
Der Autor Dr. Thomas Rühmer, ist an der Landesstation in Graz Haidegg Versuchsleiter für den Bereich Kernobst und verantwortlich für die Erhaltung der alten, regionalen Apfel- und Birnensorten im Sortenerhaltungsgarten. Mit dem gebürtigen Tiroler der diese Aufgaben seit 2006 erfüllt, hat die Steiermark einen engagierten Hüter ihres Sortenschatzes gefunden. Als Vorstandsmitglied der ARGE Streuobst bemüht sich Thomas Rühmer auch über die Steiermark hinaus für den Streuobstbau und die Erhaltung der obstgenetischen Ressourcen in Österreich.
In der Versuchsstation Haidegg wird großer Wert auf die Erhaltung alter steirischer Apfel- und Birnensorten gelegt. Neben der Sortenerhaltung und Weitergabe von Edelreisern, steht die Bonitur auf Robustheit gegenüber Schädlingen und Krankheiten, sowie die Prüfung der Verarbeitungseignung der Sorten im Fokus.
Der Sortensammlung der Versuchsstation für Obst- und Weinbau Haidegg, ist eine der größten Obstsortengenbanken Österreichs. In den Erhaltungsgärten der Versuchsstation in Wagersbach und Hitzendorf, werden ca. 670 Apfel- und Birnensorten erhalten. Mit dem vorliegenden Buch, wird ein Teil der Apfelsortensammlung in Wagersbach vorgestellt.
Jede der 95 Sorten wird auf 3 bis 5 Seiten mit Fotos von Früchten, Baum, Trieben und Blüten sowie einer umfangreichen Sortenbeschreibung dargestellt. Die Fotodokumentation umfasst sechs Fruchtansichten je Sorte auf einem Gesamtbildformart von 21 x 15 cm (Kelch- und Stielseite, zwei Seitenansichten, Längs- und Querschnitt). Damit sind die Früchte in rund ¾ der Naturgröße abgebildet und die Fruchtmerkmal gut erkennbar. Die Fotos zeigen typisch ausgefärbte reife Früchte und die Farbrichtigkeit ist bei den gedruckten Fotos gut getroffen – dies gelingt nicht in jeder Foto-Pomologie und ist daher hervorzuheben.
Die Sortenbeschreibungen sind als Zusammenstellung der pomologischen Beschreibungen aus verschiedenen Quellen gestaltet.
Offen bleibt die Frage, nach welchen Kriterien der Autor die 95 Sorten aus der erheblich umfangreicheren Erhaltungssammlung ausgewählt hat. Eine Qual der Wahl angesichts einer vorgegebenen beschränkten Seitenzahl, kann diesbezüglich vermutet werden.
Insgesamt liegt mit dem Buch ein fast 400-seitiges großformatiges Werk vor das sich würdig in den Reigen der aktuellen österreichischen Pomologie einreiht.
Das Buch ist untrennbar mit der Sortenerhaltungsarbeit in der Obstsortengenbank der Versuchsstation verbunden. Leider geht der Autor nur kurz auf einer einleitenden Seite auf diesen Hintergrund ein; dem hätte durchaus mehr Raum gewidmet sein können. Vor allem den mit Obstsortenerhaltung selbst nicht im Detail beschäftigten, kann man nicht oft genug vor Augen führen, welch beständigen Engagements und welcher laufenden personellen und finanziellen Ressourcen es bedarf, eine solch umfangreiche Erhaltungssammlung über Jahrzehnte aufzubauen, zu erhalten, sinnvoll zu nutzen und die Sorten zugänglich zu machen. Letzteres ist der Versuchsstation Haidegg mit der Anlage eines Reiserschnittgartens in für Österreich bisher einmaliger Form gelungen. Die Einsicht in das vorhandene Sortiment und die Bestellung von Edelreisern ist über einen Webshop möglich (https://shop.haidegg.at).
An dieser Stelle muss als Hintergrundbeschreibung zur vorliegenden Publikation, ein kurzer Abriss zur Obstsortengenbank der Versuchsstation gegeben werden. Die folgenden Angaben dazu stammen aus mehreren Veröffentlichungen von Thomas Rühmer:
Österreich ist auf Grund internationaler Abkommen verpflichtet, auf allen Ebenen die biologische Vielfalt zu schützen und zu nutzen. Der Genpool in Haidegg für alte steirische Kernobstsorten, ist ein wesentlicher Beitrag zu dieser Verpflichtung.
Schon 1974 wurde der erste Sortenerhaltungsgarten für heimische Streuobstsorten angelegt. Dieser Erhaltungsgarten befand sich in Hofstätten bei Gleisdorf. Ab 1988 erfolgte die Übersiedlung des Genpools nach Wagersbach (Graz-Umgebung). Die vollständige Sammlung wurde auf Sämlingsunterlagen ausgepflanzt und zusätzlich in Hitzendorf als Reiserschnittgarten abgesichert.
Die Basis für den vorhandenen Genpool bilden die Sortensammlungen von Franz Strempfl und Herbert Keppel in den 1970er Jahren. Es wurden auch 30 Apfelsorten aufgenommen, die ein pensionierter Baumwärter aus dem Bezirk Leibnitz als besonders schorfunempfindlich gesammelt hatte; nach ihm benannt, tragen diese Sorten den Namen Wuchse 1, Wuchse 2, usw. Die Wuchse-Sorten können großteils bis heute molekularbiologisch und pomologisch keinen bekannten Sorten zugeordnet werden.
Über Projekte und weitere Sammlungsaktionen aus allen Regionen der Steiermark, wurde der Genpool bis ins Jahr 2004 laufend erweitert. Derzeit stehen in Wagersbach 285 verschiedene Apfel- und 75 verschiedene Birnensorten auf einer Fläche von 6,5 ha.
Mittlerweile erfolgte die Überprüfung der Sortenechtheit der Apfelsorten. Im Rahmen eines zweijährigen Projekts wurden die Sorten molekularbiologisch im Versuchszentrum Laimburg mit der bestehenden Apfelsorten-Datenbank abgeglichen sowie mit Hilfe von Pomolog*innen der ARGE Streuobst pomologisch aufgearbeitet. Beide Sichtweisen zusammen ergeben ein schlüssiges Bild und so ist es heute möglich, von mehr als 160 Apfelsorten Edelreiser garantiert sortenecht abgeben zu können.
(Christian Holler)
Thomas Rühmer (2022):
„Haidegger Sortenerhaltungsgarten in Wagersbach. 95 Sortenportraits bekannter und unbekannter Apfelsorten mit historischen Literaturzitaten“
Eigenverlag der Versuchsstation für Obst- und Weinbau Haidegg, Land Steiermark
Hardcover 22 x 30 cm, 385 Seiten, durchgehend farbig bebildert
Preis: € 39,-
Bezugsquelle: https://shop.haidegg.at/produkt/buch-haidegger-sortenerhaltungsgarten-in-wagersbach/
Versuchsstation Obst- und Weinbau Haidegg
A-8047 Graz, Ragnitzstraße 193
Tel.: +43 (316) 877-6600
Email: shop.haidegg@stmk.gv.at